top of page

Viele Patienten sitzen in einem Wartezimmer einer Arztpraxis in Briesen (Brandenburg), aufgenommen am 05.05.2010. Foto: Patrick Pleul/dpa

Nachfolger gesucht: Großer Ärztemangel im Altkreis Crailsheim

Der Ärztemangel ist ein bundesweites Problem, doch im Altkreis Crailsheim ist er besonders stark spürbar. Nahezu alle Hausarztpraxen nehmen keine neuen Patienten mehr auf. Die Wartezimmer sind voll, Patienten weichen auf Fachärzte und die Notaufnahme im Klinikum aus – und verursachen damit auch hier eine Mehrbelastung. „Eine Besserung ist nicht in Sicht“, sagt Dr. Helmut Kopp.
 

Runden Tisch gebildet

 

Der Vorsitzende der Kreisärzteschaft Crailsheim stellte die aktuelle Situation der hausärztlichen Versorgung im Crailsheimer Gemeinderat vor – und machte wenig Hoffnung für die Zukunft. Trotzdem – oder gerade deswegen – stimmten die Gemeinderäte einstimmig der Einrichtung eines runden Tischs zu, in dem Vertreter der Ärzteschaft, der Stadtverwaltung und des Gemeinderats gemeinsam überlegen sollen, wie junge Hausärzte für Crailsheim gewonnen werden können.

 

Dass sich die Situation noch zuspitzen wird, ist bereits absehbar: Von den 19 niedergelassenen Hausärzten in Crailsheim und Satteldorf sind 16 bereits über 60 Jahre alt und fünf schon über 65. Es müssen also Nachfolger gefunden werden. Doch das ist gar nicht so leicht. „Die Tätigkeit als Hausarzt in ländlichen Gebieten ist für junge Ärzte unattraktiv“, weiß Dr. Kopp. Als Gründe nennt er ein hohes wirtschaftliches Risiko, stetig steigenden Bürokratismus und eingehende Kontrollen, die für eine Einzelpraxis kaum noch zu stemmen seien. Hinzu kommt, dass generell zu wenige Ärzte ausgebildet werden. Darüber hinaus ist der Anteil der Frauen bei den Medizinstudenten seit Jahren sehr hoch. Das hat Auswirkungen: Junge Ärztinnen ziehen sich während der Familienphase oft aus dem Berufsleben zurück – und hinterlassen wieder eine Lücke.

 

Zurzeit entwickeln sich neue Praxisformen, die weggehen vom klassischen Hausarzt, der rund um die Uhr für seine Patienten zur Verfügung steht. Einzelpraxen in kleinen Ortsteilen weichen Gemeinschaftspraxen oder Praxisgemeinschaften an zentraler Stelle. Jobsharing, Teilzulassungen und Ärzte als Angestellte sind neue Modelle, die sich immer mehr etablieren.

 

Zwei weitere Ärzte möglich

 

Über die Niederlassung von Haus­ärzten entscheidet die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW). Sie erstellt regelmäßig eine Bedarfsplanung, wie viele Ärzte in einem Gebiet nötig sind. Für den sogenannten Mittelbereich Crailsheim, dem die Städte und Gemeinden des Altkreises angehören – das sind insgesamt 85 595 Einwohner –, hat die KVBW einen Versorgungsgrad von mehr als hundert Prozent ermittelt. Nach dieser Berechnung könnten sich derzeit zwei weitere Haus­ärzte niederlassen. Die Zahl klingt besser als die Realität aussieht: Nicht berücksichtigt sind nämlich das Alter der Hausärzte oder die Chancen, einen Praxisnachfolger zu finden. „Die Grundproblematik bleibt“, sagt der Vorsitzende der Kreisärzteschaft, „junge Mediziner haben kein Interesse daran, sich als Hausarzt auf dem Land niederzulassen.“

 

Teilen Sie diese Erfahrungen?

 

Lange Wartezeiten auf einen Termin, überfüllte Wartezimmer oder gar die Aussage „Tut uns leid. Wir nehmen keine neuen Patienten mehr auf“ – viele Menschen in Crailsheim haben diese Erfahrung persönlich gemacht. Gehören Sie auch dazu? Dann melden Sie sich beim Hohenloher Tagblatt und berichten von Ihren Erlebnissen. Sie erreichen uns telefonisch unter 0 79 51 / 40 93 21 oder per E-Mail an redaktion.ht@swp.de. hof

 

HOHENLOHER TAGBLATT | CHRISTINE HOFMANN | 26.11.2016

Please reload

bottom of page