Eine Hausärztin untersucht einen Patienten. Gerade im Raum Crailsheim werden händeringend junge Mediziner gesucht. Foto: dpa
„Wir müssen die Dramatik erkennen“
Ausschuss Die Vorsitzenden der Ärzteschaften aus Schwäbisch Hall und Crailsheim informieren über die Versorgung im Landkreis. Die Bewertungen fallen unterschiedlich aus.
Lange Warteschlangen vor den Hausarztpraxen, Aufnahmestopp, Patienten suchen nach Behandlungsplätzen: Allgemeinmediziner Dr. Helmut Kopp zeichnet im Kreisausschuss für Soziales, Gesundheit und Schulen ein düsteres Bild zur ärztlichen Versorgung im Einzugsbereich Crailsheim. „Es ist jetzt schon ein großer Versorgungsnotstand da. Wie müssen die Dramatik erkennen“, betont der Vorsitzende der Ärzteschaft Crailsheim und nennt Zahlen.
Aktuell gebe es noch 18 Hausärzte im Einzugsbereich Crailsheim. Davon seien 13 über 60 und davon fünf über 65 Jahre alt, macht er zur Altersstruktur deutlich. Folgen des Hausärztemangels seien, dass Patienten direkt Fachärzte oder die Krankenambulanz aufsuchen würden, was dort zu Überlastung führe.
Veränderte Ansprüche
Der Hausärztemangel habe, neben den Gründen in der veränderten Altersstruktur, Ursachen in anderen Ansprüchen der jungen, nachkommenden Ärzte. Der Ärztenachwuchs wolle heute lieber in ein Angestelltenverhältnis mit klar geregelten Arbeitszeiten – Arbeitsende gegen 17 Uhr, egal wie viele Patienten noch im Wartezimmer sind, so Kopp. Im Fokus sei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie aktive Freizeitgestaltung.
Kopp nennt Lösungsvorschläge. Mehr Studienplätze schaffen, jungen Ärzten den Weg zum Allgemeinmediziner lückenlos möglich machen, Standortvorteile wie Kindergartenplätze schaffen. In Crailsheim brauche es einen runden Tisch mit Gemeinderäten und Ärzteschaft, um Lösungen zu finden. SPD-Kreisrätin Helga Hartleitner erwähnt das medizinische Versorgungszentrum (MVZ) in Crailsheim als einen Teil der Lösung. Es sei aber schwierig, das MVZ zum Laufen zu bringen.
Das MVZ wurde im Oktober 2014 als Tochtergesellschaft des Klinikums Crailsheim unter anderem für die ambulante allgemeinärztliche sowie fachärztliche Versorgung der Patienten aus der Stadt Crailsheim und den Gemeinden in der Umgebung gegründet. Dazu gehören seit Beginn eine chirurgische Facharztpraxis und eine Allgemeinarztpraxis. Im Oktober 2015 ging ein weiterer niedergelassener Allgemeinarztsitz auf das MVZ über.
Positiveres Bild in Hall
Positiver als in Crailsheim sieht es mit der hausärztlichen Versorgung im Einzugsbereich Schwäbisch Hall aus, macht Dr. Elisabeth Körber-Kröll deutlich. Die Vorsitzende der Haller Ärzteschaft nennt aktuell 30 Hausärzte und macht deutlich, dass ein Hausarzt, der sich in Schwäbisch Hall bewerbe, keinen Platz mehr bekommen würde. Das Gebiet sei gesperrt, da die Versorgung gemäß vorgegebenem Schlüssel passe. In Crailsheim sei das andersherum. „Wir sind nicht schlecht versorgt, aber wir müssen die Patienten besser steuern“, zieht die Allgemeinmedizinerin als Fazit. Man müsse nicht 20 Mal pro Jahr zum Hausarzt. „Wo würden Sie da ansetzen?“, fragt Friedrich Waller (Freie). „Beim Geld. Sinnvoll ist eine langfristige Eigenbeteiligung der Patienten an ihren Kosten“, antwortet Körber-Kröll. Solange gesetzlich Versicherte alles für ihre Beiträge bekämen, würden sie alles verlangen, auch wenn es nicht notwendig sei.
Jens Zielosko greift das Stichwort Zentralisierung auf. „Was bringt das neue Ärztehaus auf der Weilerwiese in Hall? Wurden neue Ärzte gewonnen oder sind nur Ärzte in der Stadt umgezogen?“, fragt der CDU-Kreisrat die Allgemeinmedizinerin. Das neue Gesundheitszentrum vereine 20 Fachärzte unter einem Dach. Zunächst sei es ein Umzug innerhalb der Stadt gewesen. Mittlerweile seien aber zwei Fachärzte neu von außerhalb dazugekommen. Als Fortschritt sieht die Ärztin auch die Barrierefreiheit für die Patienten im Ärztehaus.
Haller Tagblatt / Hohenloher Tagblatt / Rundschau Gaildorf / 09.12.2016 / Marcus Haas