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Angehenden Ärzten die eigene Heimat schmackhaft machen

Gesundheitswesen Stadt und Ärzteschaft wollen drohenden Notstand gemeinsam verhindern. Oberbürgermeister offen für ungewöhnliche Maßnahmen.

Um Not abzuwenden, müssen manchmal ungewöhnliche Maßnahmen ergriffen werden: Kürzlich waren Medien von Stadtverwaltung und Ärzteschaft Crailsheim zu einem Hintergrundgespräch ins Rathaus eingeladen worden. Thema war die drohende Ärzteknappheit in der Stadt. Schon seit einiger Zeit schlägt Dr. Helmut Kopp, der Vorsitzende der Crailsheimer Ärzteschaft, Alarm. Auch mit Auftritten in Kommunalparlamenten versucht er, die Politik für eine Situation zu sensibilisieren, die er als „bedrohlich“ einstuft.


Ein erster Erfolg ist die Einrichtung der „Interessengemeinschaft Doc“, der neben Oberbürgermeister Rudolf Michl und Wirtschaftsförderer Kai Hinderberger Ärzte des Kreisklinikums und Bürgermeister der Gemeinden im Altkreis Crailsheim angehören. Im Hintergrundgespräch berichteten Michl und Kopp auch über die Ergebnisse der ersten Sitzung des neuen Gremiums.


Immerhin: Die niedergelassenen Ärzte und die Mediziner des Krankenhauses haben eine Kooperation vereinbart, die es jungen Medizinern, die ihr Studium abgeschlossen haben, ermöglicht, ihre Facharztausbildung in Crailsheim zu absolvieren. Das ist ein Gewinn, denn jeder Hausarzt, der eine Kassenzulassung will, braucht eine mehrjährige Facharztausbildung.


Aber es gibt, sind sich Michl und Kopp einig, auch weiche Faktoren, die wichtig sind. Dazu gehören Gespräche mit Medizinstudenten aus der Region, in denen den angehenden Ärzten die Rückkehr in die eigene Heimat schmackhaft gemacht werden soll. Bringt das was? Laut Michl schon. Wenn im Familien- oder Freundeskreis thematisiert wird, wie wichtig eine ärztliche Tätigkeit in der Heimatstadt ist, dann, so der Oberbürgermeister, könne das durchaus ein Argument von Gewicht sein. Immerhin, ergänzt Kopp, ist es derzeit so, dass zwei Söhne von niedergelassenen Ärzten in Crailsheim, ebenfalls hier praktizieren. „So was müssen wir fördern“, hebt der Vorsitzende der Ärzteschaft hervor.


Praxisschließungen drohen


Schon seit Längerem warnt Kopp vor einem drohenden Notstand in Crailsheim. Die Ankündigung von Dr. Hans Paul Kienzle in Ingersheim, im Sommer aufhören zu wollen, bestätigt ihn in seinen Befürchtungen – zumal er von weiteren Kollegen in der Stadt weiß, die in den Ruhestand gehen wollen.


Es muss also dringend gegengesteuert werden. Die bisherigen Fördermaßnahmen für niederlassungswillige Mediziner sind laut Kopp „fast immer nur Tropfen auf den heißen Stein“. Auf HT-Nachfrage zeigt sich Oberbürgermeister Michl offen, auch über ungewöhnliche Maßnahmen nachzudenken. Beispielsweise darüber, Ärzte bei der Stadt anzustellen. Das ist inzwischen möglich – beispielsweise über ein kommunales Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), das als städtischer Eigenbetrieb geführt wird. Michl ist aber auch bereit, mit dem Landkreis Gespräche zu führen. Der betreibt schon ein MVZ im Kreisklinikum.

 

Von den 19 niedergelassenen Ärzten in Crailsheim sind acht 65 Jahre und älter. Drei von ihnen wollen noch in diesem Jahr aufhören. Foto: dpa

 

Hohenloher Tagblatt 22.03.2017 / Andreas Harthan

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