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Kreis wirbt um junge Landärzte

Versorgung Was können Gemeinden tun, um den Ärztemangel in den nächsten Jahrzehnten abzuwenden? Verwaltungsbeamte, Krankenkassenvertreter und Medizinstudenten suchen den Dialog.


Fünf Medizin-Studenten aus ganz Deutschland gehen auf Württemberg-Tour. Sie wollen herausfinden: Ist es für mich das Richtige, in einigen Jahren im ländlichen eine eigene Praxis zu eröffnen? Ist die Arbeit interessant? Wie viel Arbeitsaufwand und Risiko ist damit verbunden? Welche Unterstützung erhalte ich aus dem Umfeld.


Bei ihrer Reise sind Linda Bachmann, Berit Elzer, Kim Carolin Loose, Michael Miltrup und Hannah Rentrop am vergangenen Dienstag im Haller Landratsamt zu Gast. Die Techniker-Krankenkasse und die Kreisverwaltung haben die jungen Mediziner zu einem Meinungsaustausch eingeladen. Mit am Tisch sitzen unter anderem Andreas Vogt, Leiter der Landesvertretung der Techniker-Krankenkasse, der stellvertretende Landrat Michael Knaus, Gesundheitsamtsleiterin Eva König und Michelfelds Bürgermeister Wolfgang Binnig, der Mitglied des Lenkungskreises der Kommunalen Gesundheitskonferenz ist.


Der Landarzt als schlecht bezahlter Einzelkämpfer ohne Freizeit und mit geringem Ansehen in der medizinischen Fachwelt sei ein Klischee, das längst nicht mehr stimme, ist sich Andreas Vogt bereits im Vorfeld des Treffens sicher. Wie gut ein niedergelassener Allgemeinmediziner im Durchschnitt verdiene, hänge sehr stark vom Arbeitsaufwand ab. 120 000 bis 140 000 Euro Brutto-Jahreseinkommen seien aber durchaus realistische Werte.


„Keine Lebensaufgabe mehr“


Auf den Stundenlohn heruntergerechnet liege das Einkommen von niedergelassenen Ärzten mitunter alles andere als im Spitzenbereich, weiß Linda Bachmann, die an der Universität Würzburg studiert. Denn die tägliche Arbeitszeit liege teilweise bei 16 Stunden.


Berit Elzer, aus Winnenden, die an der Universität des Saarlandes in Homburg eingeschrieben ist, ist sich sicher: „Für mich ist es keine Option, in Zukunft allein eine Praxis zu leiten. Ich möchte gern Lebensqualität haben und nicht rund um die Uhr arbeiten. Früher war Hausarzt zu sein eine Lebensaufgabe, das sieht die neue Generation anders.“


An den Universitäten sollten verstärkt BWL-Kurse für Mediziner angeboten werden, denn viele Ärzte seien heutzutage damit überfordert, eine Praxis auch wirtschaftlich rentabel zu leiten.


Werden die Praxisräumlichkeiten kostenlos zur Verfügung gestellt? Sind ausreichend Angebote in Sachen Freizeit und Kultur vorhanden? Gibt es vor Ort gute Kinderbetreuung? Erhalte ich Prämienzahlungen durch kassenärztliche Vereinigung, Krankenkassen oder Politik? Bei der knapp zweistündigen Diskussion kristallisiert sich heraus, dass all diese Fragen bei der Zukunft der ärztlichen Versorgung auf dem Land möglicherweise nicht die entscheidenden sind.


Attraktive Versorgungszentren


Interessanter erscheint vielen Nachwuchsmedizinern vielmehr die Arbeit in medizinischen Versorgungszentren, in denen mehrere Arztpraxen untergebracht sind. Die Ärzte in den Versorgungszentren sind nicht selbstständig, sondern angestellt, sind somit keinem „Einzelkämpfer-Druck“ oder finanziellen Risiken ausgesetzt.


„Die Zentren ermöglichen den Ärzten andere Lebensentwürfe“, ist sich Wolfgang Binnig sicher. Als Beispiel für eine gut funktionierende Einrichtung nennt Michael Knaus das vom Landkreis betriebene MVZ in Crailsheim. Ob die Kommunale Gesundheitskonferenz des Landkreises die Gründung weiterer Zentren aktiv fördern möchte, blieb bei der Diskussion offen.


Noch sei die ärztliche Versorgung auf dem Land in der Region gut, nur in Stimpfach und Langenburg gebe es derzeit Probleme, so Knaus.


Altersstruktur der Ärzte im Landkreis

 

Bei den 130 Hausärzten im Landkreis Hall ist der Altersschnitt am höchsten. 45 Prozent, also fast die Hälfte, sind über 60 Jahre alt. Ebenso besorgniserregend ist die Situation bei den 16 Frauenärzten, von denen 7 schon über 60 Jahre alt sind. Die 15 Internisten und 14 Orthopäden & Chirurgen liegen in Sachen Altersschnitt im Mittelfeld. Die 10 Augenärzte und 14 Kinder- und Jugendärzte hingegen sind im Schnitt deutlich jünger. Jeweils nur einer ist über 60 Jahre alt und wird demnächst in den Ruhestand gehen. Einen auffällig hohen Anteil an jungen Ärzten gibt es bei den 35 Psychotherapeuten: Fast ein Drittel ist erst zwischen 29 und 39 Jahre alt. Quelle: KVBW-Versorgungsbericht 2017


Haller Tagblatt / Hohenloher Tagblatt / Rundschau Gaildorf / 31.07.2018 / Gottfried Mahling

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