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Werner Schmidt ist Geschäftsführer des Klinikums und des Medizinischen Versorgungszentrum Crailsheim. Bild: Klinikum Crailsheim

Elf weiße Flecken auf der Arzt-Landkarte vermieden

Gesundheit Das Medizinische Versorgungszentrum des Kreises könnte auch für Blaufelden eine Option sein, wenn keine Praxisnachfolger gefunden werden. Von Harald Zigan 

Noch vor 20, 30 Jahren wäre es absolut unvorstellbar gewesen, dass sich Rathäuser auch noch um die Arztpraxen in der Kommune kümmern müssen. Die Zeiten haben sich aber gewaltig geändert: Junge Mediziner, die sich und ihren Familien keinen aufreibenden 14-Stunden-Tag mehr zumuten wollen, zieht es nicht nur allein aus finanziellen Gründen sehr oft in die Ballungszentren und nicht mehr auf das flache Land.
 

Wenn dann altgediente Hausärzte in den Ruhestand gehen und trotz händeringender Suche keine Nachfolger gefunden werden, droht in vielen Fällen ein weißer Fleck auf der Mediziner-Landkarte. Für den Kreis Hall verdeutlicht eine Zahl das ganze Dilemma: Sage und schreibe 46 Prozent aller hiesigen Hausärzte sind über 62 Jahre alt.
 

Die Lage ist nicht ernst – noch

Das Problem kommt über kurz oder lang auch auf Blaufelden zu, wo sich Dr. Martin Hintz und Duy Hoang in einer Gemeinschaftspraxis im Mutterort um die Gesundheit der Bürger kümmern. Derzeit besteht noch kein Grund, die Alarmglocken schrillen zu lassen: Die beiden Mediziner hegen keine kurzfristigen Ruhestands­pläne, zählen aber halt auch schon zu den älteren Semestern.
 

„Wir können da nicht tatenlos zusehen – sonst stehen wir eines Tages ohne ärztliche Versorgung da“, sagte Bürgermeisterin Petra Weber bei einer Sondersitzung des Gemeinderates. Werner Schmidt, Finanzdezernent im Landratsamt und in Personalunion auch Geschäftsführer des Klinikums in Crailsheim, stellte dem Kommunalparlament das im Jahr 2015 in Crailsheim gegründete Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) vor, das ebenfalls unter seiner Federführung steht.
 

Das eng an das Klinikum angedockte MVZ bündelt mit vom Landkreis angestellten Medizinern, die ihre Arbeitszeit frei wählen können, nicht nur fachärztliche Angebote, sondern dient entgegen seiner ursprünglichen Zielsetzung auch als Rettungsanker für Kommunen in der Umgebung, die trotz größter Mühe keine Hausarzt-Nachfolger gefunden haben. Inzwischen ist das MVZ auch mit „Filialen“ und „abgeordneten“ Ärzten in Gerabronn und in Stimpfach vertreten.
 

Insgesamt hat das MVZ unter der Regie des Landkreises inzwischen elf Arztsitze in Crailsheim und Umgebung gesichert, die sonst wohl allesamt verschwunden wären. „Der Landkreis sieht sich in der Verantwortung, die Versorgung mit Ärzten auch außerhalb von Crailsheim zu sichern“, sagte Werner Schmidt – und der Kreis nimmt dafür auch ein jährliches Defizit von immerhin rund 200 000 Euro in Kauf.
 

Unmissverständlich machte Werner Schmidt den Kommunalpolitikern aber auch klar, dass Blaufelden zunächst in eigener Regie eine Nachfolge-Lösung suchen sollte. Einen ersten Schritt hat die Gemeinde schon unternommen: Im Haushalt 2020 sind vorsorglich 3 Millionen Euro für ein Ärztehaus eingestellt, wie es zum Beispiel schon in Satteldorf realisiert wurde und in Waldtann sowie in Unterdeufstetten derzeit entsteht – wobei „noch völlig offen ist, ob wir ein neues Ärztehaus bauen oder bestehende Räume verwenden“, wie Bürgermeisterin Petra Weber sagte.


„Kreis steht zur Seite“
 

Werner Schmidt empfahl zudem, den an sich schon jetzt gut aufgestellten, zentralen Standort Blaufelden für junge Mediziner noch attraktiver zu machen und dafür auch selbstbewusst die Werbetrommel zu rühren – zum Beispiel mit günstigen Mietkonditionen für eine Praxis und anderen Vergünstigungen. Unter dem Dach eines Ärztehauses könnten zum Beispiel auch Physiotherapeuten oder Hebammen ein Domizil finden.
 

Wenn aber alle Stricke reißen und tatsächlich eine arztlose Zeit in Blaufelden drohen sollte, dann kann sich die Gemeinde auf den Landkreis und sein MVZ verlassen: „Wir werden Blaufelden zur Seite stehen, wenn das Problem nicht aus eigenen Kräften heraus gelöst werden kann“, sagte Werner Schmidt.
 

 

Hohenloher Tagblatt / 18.07.2020 

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