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Viele Optionen, keine gesichert

Gesundheit In Ilshofen praktizieren zwei Hausärzte im Rentenalter. Finden sich keine Nachfolger, könnten die Stellen im Bezirk gestrichen werden. Das Büro Bernd Wiesner sucht nach Lösungen. 

Rund 6500 Menschen leben in Ilshofen. Wie kann die medizinische Versorgung dieser Bürger vor Ort auf Dauer gesichert werden? Damit hat die Stadt Ilshofen das Büro Bernd Wiesner, Management im Gesundheitswesen, beauftragt. „Ilshofen ist eine wachsende Kommune“, stellt Bürgermeister Martin Blessing fest. „Wir wollen die bestehenden Hausarztstellen erhalten und wenn möglich aufstocken.“ In Ilshofen praktizieren derzeit fünf Hausärzte. Im benachbarten Wolpertshausen arbeitet ein Hausarzt, in Kirchberg praktizieren zehn.


Bernd Wiesner hat sich in den vergangenen Wochen einen Überblick über die Lage verschafft, zahlreiche Gespräche geführt und verschiedene Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Am Telefon schildert er die Lage, bei der es viele „wenn – dann“ oder „aber“ gibt.


Die fünf Hausärzte in Ilshofen arbeiten in drei Praxen, schildert Bernd Wiesner die Situation. Eine davon ist eine Gemeinschaftspraxis mit drei Medizinern. Diese sei gut ausgelastet und gesichert. Mittelfristig gefährdet seien die zwei anderen, sagt der Gesundheitsökonom. „Herr Dr. Bernhard Stahn ist über 70 Jahre alt. Er wollte eigentlich im September aufhören.“ Beide medizinische Fachangestellten hatten gekündigt. Inzwischen sieht es so aus, als ob die Praxis nach dem Urlaub des Mediziners wieder öffnen kann. Im Gespräch sei, die Patienten bei Dr. Stahn noch bis Jahresende zu behandeln. Bis dahin soll eine Lösung gefunden werden, denn „wenn eine Praxis schließt, dann suchen sich die Patienten einen anderen Arzt“.


Bezirk ist überversorgt


Verschärfend kommt hinzu: Falls die Arztpraxis ein halbes Jahr geschlossen wäre, fiele die Kassenzulassung dieser Praxis weg. Denn: Im Kassenbezirk Schwäbisch Hall, zu dem Ilshofen gehört, besteht rechnerisch eine Überversorgung an Hausärzten. „Normalerweise ist ein Bezirk offen, wenn die Versorgungsquote unter 110 Prozent liegt. Derzeit ist sie in Schwäbisch Hall bei 111,5 Prozent.“


Die dritte Praxis wird von Dr. Brigitte Blum-Karsch betrieben. Auch sie ist deutlich über 60 Jahre alt. Sie möchte aber noch zwei, drei Jahre weiterarbeiten, weiß Wieser. „Wir brauchen kurzfristig eine Lösung für die Praxis von Dr. Stahn und langfristig für beide Praxen.“ Bernd Wiesner verfolgt mehrere Lösungswege parallel. So hat er mit Bürgermeister Martin Blessing angesprochen, ob und wo neue Arztniederlassungen mit Sprech- und Behandlungsräumen etabliert werden könnten.


Standorte für Arztpraxen


Um neuen Hausärzten gute Arbeitsbedingungen zu bieten, ist Blessing mit zwei Investoren im Gespräch. Diese bauen Mehrfamilienhäuser, in denen auch Mediziner Räume haben könnten. Der eine Standort einer möglichen Praxis wäre in einem bereits begonnenen Bau in der Innenstadt. Dort stand früher das Gasthaus Lamm. Der zweite potenzielle Standort liegt an der Eckartshäuser Straße zum Gewerbegebiet.


Um die beiden Einzelarzt-Niederlassungen zu erhalten, ist Folgendes eine mögliche Lösung: Dr. Blum-Karsch könnte einen Arzt anstellen, der in Teil- oder Vollzeit bei ihr arbeitet. Dann würde die Praxis Blum-Karsch im kommenden Jahr die Patienten von Dr. Stahn übernehmen. In wenigen Jahren könne dann der oder die Neue die Praxis Blum-Karsch verantwortlich führen, ein weiterer Arzt könnte einsteigen.


Die zweite Lösung, die Bernd Wiesner verfolgt: Denkbar wäre, dass eine bestehende Arztpraxis aus dem Umland in Ilshofen einen zweiten Standort aufmacht. Wiesner hat rund 100 Ärzte angeschrieben, Gespräche geführt. „Zwei Praxen können sich vorstellen, das zu machen.“ Aber: „In beiden Fällen ist nicht geklärt, wer der Arzt sein soll.“ Die Krux: Der Mediziner braucht die Zulassung als Hausarzt. „Ein Arzt in Hall hat ab November einen Kollegen. Aber der ist Chirurg und Notfallmediziner. Damit darf er keine Hausarztpraxis betreuen.“ Schwierig sei es auch, den in Ilshofen lebenden syrischen Mediziner zu gewinnen. „Seine Approbation ist noch nicht anerkannt. Auch er ist Chirurg und bräuchte erst eine zweijährige Weiterbildung.“


Ärzte fehlen


Im Gespräch ist Wiesner mit den beiden Kliniken im Kreis, mit dem Medizinischen Versorgungszentrum Crailsheim sowie mit der Medi Baden-Württemberg. Letztere organisiert ebenfalls die Besetzung von Arztpraxen. Viele Optionen also. Wie schätzt Wiesner die Chancen ein? „Schwierig zu sagen“, meint er, „es fehlen halt Ärzte.“


Medizinstudenten können Stipendium vom Kreis erhalten


Keine neuen Hausärzte dürfen sich derzeit im Kassenbezirk Hall niederlassen. Hier gibt es laut der Kassenärztlichen Vereinigung eine leichte Überversorgung mit 111,5 Prozent. Im Kassenbezirk Mittelbereich Crailsheim, zu dem auch die Stadt Kirchberg mit ihren derzeit zehn Hausärzten gehört, besteht mit einem Versorgungsgrad von 102,9 Prozent eine Unterversorgung. Dort können sich aktuell vier Mediziner niederlassen, teilt das Landratsamt mit.


Im gesamten Landkreis Hall beträgt der Anteil der über 60-jährigen Hausärzte 41 Prozent. 2018 lag dieser noch bei 46 Prozent. In den nächsten Jahren wird ein großer Teil der Hausärzte in den Ruhestand gehen.


Sowohl die Kreisärzteschaft als auch die Landkreisverwaltung bemühen sich, ärztlichen Nachwuchs zu gewinnen, teilt die Pressestelle des Landratsamts mit. So gibt es mehr als 40 Ärzte im Kreis, die Hausärzte ausbilden dürfen. Wer sich als Hausarzt niederlassen will, braucht im Anschluss an die Approbation eine Facharztausbildung.


Die Kreisärzte versuchen, über persönliche Kontakte Nachwuchs oder Arztkollegen zu gewinnen. Dem Ärztenachwuchs bieten sowohl die Kreisärzteschaft als auch der Landkreis mit dem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) die Möglichkeiten der Anstellung. Das MVZ des Landkreises Schwäbisch Hall hat in den vergangenen Jahren Gemeinden unterstützt, die keinen hausärztlichen Nachwuchs fanden. Das MVZ sicherte die Praxen, indem es diese mit angestellten Ärzten ausstattete.

 

Der Kreistag hat zudem beschlossen, fünf Studierende aus dem Landkreis mit monatlich 500 Euro bis zum Ende der Regelstudienzeit zu unterstützen. Im Gegenzug verpflichten sich die Stipendiaten, nach Abschluss des Studiums vier Jahre als Vertragsarzt im Landkreis zu arbeiten. sel

 

HOHENLOHER TAGBLATT / HALLER TAGBLAZZ / 15.09.2020  Von Elisabeth Schweikert

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